Vom Schein und Sein

Schön in Form gebracht, marketingmäßig gestylt und auf Hochglanz gedruckt steht sie da: Unsere Überzeugung, unsere Ausrichtung, unsere Einstellung im Unternehmen. So tun wir. Meistens, jedenfalls. Zumindest wollen wir so agieren – wenn’s halt passt.

Nichts spricht dagegen, die eigene Philosophie absatzfördernd nach außen und koordinierend nach innen darzustellen. Klar ist allerdings auch, dass es auch mal anders laufen kann und auch darf. Denn oft braucht es pragmatisches, flexibles, unbürokratisches Handeln. Und dann muss die offizielle Linie mal kurzfristig überschritten, zurechtgerückt, passend gemacht werden. Niemand will schließlich in aller Schönheit untergehen.

Spannend – und damit sind wir beim Thema – wird es, wenn verkündeter Schein und gelebtes Sein öfter als nur manches Mal auseinanderdriften. Wenn „ausnahmsweise“ und „hin und wieder“ schleichend die eigene Überzeugung untergraben und ins Wanken bringen. Euphemistische Verschleierungsversuche werden von den Mitarbeitern entweder belächelt oder zynisch kommentiert. Und spätestens dann ist Feuer am Dach.

Sie könnten das Auseinanderdriften verhindern. Allerdings nur indem Sie rigoros Ihren Prinzipien immer und überall die Treue hielten – ohne jede Rücksicht auf Verluste (siehe „in Schönheit untergehen“). Besser erscheint es, eine gewisse pragmatische Unschärfe zuzulassen und sehr bewusst mit ihr umzugehen. Beobachten Sie den Spalt zwischen offizieller und inoffizieller Linie. Reflektieren Sie regelmäßig seinen Nutzen, aber hinterfragen Sie auch den zu zahlenden Preis. Thematisieren Sie im offenen Dialog mit Ihren Mitarbeitern beginnende Verwerfungen und Spannungen und definieren Sie eine gemeinsame „rote Linie“. Und legen Sie fest, wohin der weitere Weg führt: Zurück zur bisherigen Hochglanzposition oder hin zu einer adaptierten, für Sie passend(er)en Ausrichtung.