Bevor aus leichtem Kneifen echtes Knirschen wird

„Das war heute wieder der Gipfel“, höre ich es erkennbar verärgert hinter mir. „Stimmt“, pflichtet eine andere Stimme bei, „das hatten wir doch ganz anders vereinbart“. Ich bin mit der U-Bahn unterwegs und neugierig geworden. Ein schneller Blick zeigt: Büro-Outfit. Offensichtlich geht es um eine berufliche Situation. Neugierig dabei macht, wie vertraut uns manches erscheint. „Die sprechen doch über uns“, werden sich viele unfreiwillige Zuhörer denken. Doch fast immer sind es nur die Inhalte, die sich ähneln: Inkompatible Erwartungen, unpassendes Führungsverhalten oder unzureichend kommunizierte Entscheidungen. Auch wenn sich Firmen und Branchen unterscheiden, kneift es doch an den gleichen Stellen. Kein Wunder, arbeiten doch überall Menschen. Selten aber werden diese Themen vor Ort – in der Besprechung, im 4-Augengespräch mit dem Verursacher oder beim Chef – angesprochen. Zu kleinteilig und unbedeutend erscheint es – da steht man doch drüber. Oft sprechen auch betriebliche Sozialisation und Kultur (scheinbar) dagegen. Erst off records, in der U-Bahn bricht es dann doch heraus und stößt auf Verständnis und Zustimmung: „Kenn ich, bei uns läuft es ähnlich!“ Was der seelischen Hygiene dient, bewirkt jedoch keine anhaltende Veränderung. Selbst der Unterhaltungswert für die Mitfahrenden ist überschaubar, vom möglichen Imageschaden ganz zu schweigen.

Warum also nicht als Unternehmen von Zeit zu Zeit aktiv die Stimmung einfangen? Verbale oder visualisierte Erfahrungsgeschichten helfen dabei, irritierende Erfahrungen und erlebte Kränkungen anzusprechen und gemeinsam aufzuarbeiten. Bevor die anfangs kleinen Bröseln des Alltags handfestes Knirschen im Unternehmen hervorrufen.